1.2 Medizinische Wirkungen des Silphiums laut historischen Texten

Medizinische Wirkungen laut Dioskurides

Textauszug über das Silphium. Plinius der Ältere, Naturalis Historia
Plinius über das Silphium, Naturalis Historia

Bis hier hin haben wir also schon 26 Merkmale gefunden, die das vermeintlich ausgestorbene Silphium erfüllen müßte. Es geht aber noch weiter – mit den unglaublichen medizinischen Wirkungen.
Sie sind ebenso phantastisch, wie das was wir bisher über die Silphiumpflanze herausgefunden haben. Wie verrückt die Sache noch werden wird, können Sie erst abschätzen, wenn Sie die Originaltexte kennen. Denn wir werden zusammen mit den obigen 26 bei insgesamt 63 Bedingungen landen.

Deshalb hier ein kompletter und ungekürzter Textauszug von Pedanios Dioskurides aus der „Materia Medica„, in der er das damalige Wissen der Medizinalpflanzen zusammenfasst. Er ist erst im Jahre 40 nach Christus geboren, schreibt er also als Erwachsener in einer Zeit, in der es schon lange kein Silphium mehr gab. Sein pharmakologisches Werk Materia Medica soll erst im Jahre 78 n.Chr. entstanden sein.

Dieses Werk ist dem Areios von Tarsos gewidmet, der sein Ausbilder war. Der griechische Arzt dürfte den eingedickten Saft des Silphiums (lat. Laserpitium) als Heilmittel noch gekannt und bei seinen Patienten angewendet haben.

Zu Zeiten des Dioskurides war das ausgestorbene kyrenische Silphium längst mit Stinkasant (=Ferula Asa Foetida) ersetzt worden, weil es teilweise ähnliche Wirkungen hatte. Offensichtlich bezieht sich Dioskurides auch auf ältere Schriften, wie die des Hippokrates. Genau dieser liefert etliche konkrete Rezepte, schon 400 Jahre zuvor. Dioskurides unterscheidet in seinem Text zwischen dem echten kyrenischen Silphium und dem minderwertigen Ersatz. Wir werden nun  alle Heilwirkungen darin markieren, die das echte Silphium gehabt haben soll.

Dioskurides über das Silphium

Silphion / Ferula Asa Foetida – Stinkasant:
„Das Silphion wächst in Gegenden von Syrien, Armenien, Medien und in Libyen. Sein Stengel heißt
Maspeton und ist dem Steckenkraut (= Riesenfenchel) ähnlich; es hat Blätter wie Sellerie und einen breiten Samen. Die Wurzel ist erwärmend, schwer zu verdauen und schlecht für die Blase. Mit Wachssalbe vermengt heilt sie Drüsen am Halse und Geschwülste oder auch Sugillationen unter den Augen, wenn sie mit Öl angewandt wird. Mit Iris- oder Kypros Wachssalbe ist sie ein gutes Mittel bei Ischias.
Auswüchse am After vertreibt sie, wenn sie mit Granatrinde und Essig gekocht und aufgelegt wird. Getrunken ist sie ein Gegenmittel gegen tödliche Gifte. Den Speisen und Salzen verleiht sie Wohlgeschmack. Der Saft wird ihr nach Einschnitten in die Wurzel und den Stengel entnommen; den Vorzug darunter verdient der rötliche und durchscheinende, der der Myrrhe ähnlich ist, einen kräftigen Geruch hat, nicht lauchartig ist und keinen unmilden Geschmack hat, der leicht und mit weißlicher Farbe zergeht. Der kyreneische, auch wenn man nur wenig davon gekostet hat, bewirkt Feuchtigkeit im ganzen Körper, er ist von Geschmack sehr milde, so daß beim Kosten der Mund nicht oder nur sehr wenig danach riecht. Der medische und syrische ist von geringerer Kraft und hat einen sehr stinkenden Geruch. Verfälscht wird jeder Saft vor dem Eintrocknen, indem ihm Sagapen oder Mehl von Hülsenfrüchten zugesetzt wird; dieses erkennt man am Geruch, Geschmack, am Aussehen und an der Auflösung. Einige haben den Stengel Silphion, die Wurzel Magydaris und die Blätter Maspeta genannt. Am wirksamsten ist der Saft, danach kommen die Blätter und dann der Stengel. Er ist Winde treibend und scharf und heilt die Fuchskrankheit, wenn er mit Wein, Pfeffer und Essig aufgestrichen wird. Er bewirkt Sehschärfe und zerstreut beginnenden Star, wenn er mit Honig eingeschmiert wird. Gegen Zahnschmerzen wird er in den hohlen Zahn gesteckt, auch mit Weihrauch in Leinen gehüllt und daran gelegt, ebenso in der Abkochung von Hysop (smyrnäischem Dosten) und Feigen mit Essigwasser als Mundspülung angewandt. Er hilft ferner beim Biß des tollenden Hundes auf die Wunde gelegt und als Salbe und imTrank gegen die Bisse aller giftigen Tiere und gegen giftige Pfeilwunden. Gegen die Skorpionstiche wird er mit Öl verdünnt als Salbe aufgelegt. Bei Gangränen wird er appliziert, nachdem sie vorher angesetzt sind, bei Karbunkeln mit Raute, Natron und Honig oder für sich allein. Hühneraugen und Schwielen entfernt er, nachdem sie erst ringsum eingeschnitten sind, wenn er vorher mit Wachssalbe oder dem Fleische von trockenen Feigen vermischt ist. Frische Flechten heilt er mit Essig, Sarkome und Polypen, wenn er mit Vitriol oder Schwefel einige Tage aufgestrichen wird; die Auswüchse werden mit einer Zange herausgezogen. Er hilft bei chronischer Rauheit der Luftröhre und heilt plötzlich eingetretene Heiserkeit rasch, wenn er, mit Wasser verdünnt, geschlürft wird. Das (geschwollene) Zäpfchen bringt er, mit Honig eingesalbt, wieder in Ordnung, bei Schlundmuskelentzündung ist er mit Honigmeth von Nutzen. Denen, die ihn durch die Zeit nehmen, verschafft er eine gute Farbe. Im Ei zum Schlürfen gereicht ist er ein gutes Mittel gegen Husten, im Schlürftrank bei Brustfellentzündung.  Gelbsüchtigen und Wassersüchtigen wird er erfolgreich mit trockenen Feigen gegeben. Mit Pfeffer, Weihrauch und Wein getrunken vertreibt er Frostschauer. Die an Starrkrampf und Opisthotonie Leidenden laß ihn in der Gabe von 1 Obole einnehmen. Blutegel, welche am Schlunde hängen, wirft er beim Gurgeln mit Essig heraus. Denen, welchen die Milch in der Brust geronnen ist, und den Epileptikern hilft er mit Sauerhonig genommen. Mit Pfeffer und Myrrhe getrunken befördert er die Katamenien. Den Magenkranken verschafft er Linderung, wenn er mit Weintrauben genommen wird. Mit Lauge getrunken heilt er plötzlich auftretende Krämpfe und innere Rupturen. Zu den Tränken wird er aber mit bitteren Mandeln, Raute oder warmem Brod gemischt. Der Saft der Blätter leistet wohl dasselbe, aber viel schwacher. Er wird mit Sauerhonig genossen als Mittel gegen Luftröhrenaffectionen, besonders gegen Heiserkeit. Man gebraucht ihn auch zur Speise mit Gartensalat anstatt der Rauke. Es wird auch eine andere in Libyen wachsende Magydaris genannt, die Wurzel ist der des Silphion ähnlich, aber weniger dick, dabei scharf und locker und ohne Saft. Sie leistet dasselbe wie das Silphion.“

Damit ist das zuende, was Dioskurides über das Silphium schreibt. Die ersten Beschreibungen „Die Wurzel ist erwärmend, schwer zu verdauen und schlecht für die Blase“ nehmen wir zunächst raus. Denn das widerspricht komplett der eigenen Aussage „Man gebraucht ihn auch zur Speise“  und des „Wohlgeschmacks“.
Ein anderer antiker Arzt, Andreas von Karystos († 217 v.Chr.), behauptet nämlich das genaue Gegenteil. Möglicherweise ist hier der Stinkasant gemeint. Oder der Ausdruck bezieht sich tatsächlich nur auf die Wurzel. Eine mögliche Erklärung für diese verwirrenden Aussagen wird später noch folgen.

Silphium soll ein Heilmittel bei Folgendem sein:

  1. Drüsen am Halse = Lymphknotenschwellung = Mumps?
  2. Geschwülste = Gewebswucherungen
  3. Sugillationen = Hämatome, blaue Flecken
  4. Ischias
  5. Auswüchse am After = Hämorrhoiden
  6. gegen tödliche Gifte = Antidot, Gegengift
  7. bewirkt Feuchtigkeit im ganzen Körper  = schweißtreibend
  8. heilt die Fuchskrankheit = Haarausfall, Alopecia
  9. bewirkt Sehschärfe
  10. Gegen Zahnschmerzen
  11. Biß des tollenden Hundes = Tollwut
  12. Bisse aller giftigen Tiere
  13. Skorpionstiche = Insektenstiche?
  14. bei Gangränen = Gewebsnekrosen, z.B. bei Pest oder Wundbrand
  15. bei Karbunkeln = nebeneinanderliegende Furunkel
  16. bei Hühneraugen
  17. Flechten = Schuppenflechte, Psioriasis
  18. Sarkome und Polypen = Auswüchse und Tumore
  19. Rauheit der Luftröhre
  20. Heiserkeit
  21. geschwollene Zäpfchen = Tonsilitis
  22. Schlundmuskelentzündung
  23. Husten
  24. Brustfellentzündung
  25. Gelbsucht = Hepatits Leberentzündung
  26. Wassersucht = Ödeme und Gewebsschwellungen, Hydrops
  27. Frostschauer
  28. Starrkrampf= NICHT Wundstarrkrampf, sondern Verspannung (Vgl. Plinius)
  29. Opisthotonie = Krampf der Streckmuskulatur des Rückens
  30. Epilepsie
  31. befördert die Katamenien = menstruationsauslösend
  32. Magenkrankheiten
  33. Krämpfe = krampflösend
  34. Luftröhrenaffectionen

Das wären 34 weitere Eigenschaften, allein von Dioskurides.
Teilweise können die Wirkungen, die er nennt zusammengefasst werden. Es kommen jedoch noch weitere hinzu, die in anderen antiken Texten ausdrücklich genannt werden. Das läßt sich trotz Zusammenfassung nicht reduzieren, es wird sogar noch etwas mehr.

37 medizinische Heilwirkungen des Silphiums

Was nichts anderes bedeutet, daß ich auch diese in Kürze beweisen muß. Hier die Liste der Bedingungen, die eine heute noch existierende Pflanze erfüllen muß, um das echte, antike Silphium gewesen zu sein.

Konkrete innerliche Krankheiten:
Mumps
Ischias
Tollwut
Heiserkeit / Husten / Erkältung
geschwollenes Zäpfchen / Tonsilitis
Brustfellentzündung
Gelbsucht
Epilepsie
Magenleiden
Brustaffektionen

Von anderen antiken Autoren kommt dazu:
– Rheuma
– Cholera
– Gicht
– Diphterie

Konkrete äußerliche Symptome:
Geschwülste / blaue Flecken
Hämorrhoiden
Skorpion / Insektenstiche
Gewebsnekrosen / Wundbrand
Karbunkel / Furunkel
Hühneraugen
Schuppenflechte
Auswüchse / Tumore
Wassersucht / Hydrops

Generelle Wirkungen:
wirkt gegen tödliche Gifte / Antidot
ist schweißtreibend
regt das Haarwachstum an
bewirkt Sehschärfe
lindert Zahnschmerzen
wirkt erwärmend
wirkt krampflösend
ist magenstärkend / verdauungsfördernd
ist menstruationsauslösend
generell keimhemmend / antiseptisch dh.:
– antibakteriell
– antimykotisch
– antiviral

Von anderen antiken Autoren kommt dazu:
– beruhigend
– fiebersenkend
– abtreibend (abortiv)
– Nachgeburt austreibend
– Libido anregend (Aphrodisiakum)

= 37 Eigenschaften

Noch nie kam jemand auf die Idee das vermeintlich ausgestorbene Silphium anhand seiner Wirkungen zu identifizieren. Und auch wenn es unglaublich klingt – was unsere Vorväter behaupten, kann eine heute noch existierende Pflanze liefern.
Daß sie in der „Rückwärtssuche“ exakt so aussieht, wie die Abbildungen auf den antiken Münzen, halte ich nicht für einen Zufall.

Insbesondere die Pharma-Industrie wird mich für die Aufdeckung eines 2.000 Jahre alten Rätsels hassen. Oder auch lieben – denn das real existierende Kraut, das Sie bald kennenlernen werden, hilft sogar gegen Krebs! Das birgt extrem viele Chancen für die medizinische Forschung.

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Kapitelübersicht:
1.0 Die Silphium-Sensation … das wiederentdeckte Wunderkraut
1.1 Botanische Eigenschaften des Silphiums laut historischen Texten
1.2 Medizinische Wirkungen des Silphiums laut historischen Texten
2.0 Silphium ist Engelwurz – Details der Münzdarstellungen
2.1 Botanische Übereinstimmungen mit Engelwurz
2.2 Engelwurz als Nahrungsmittel und Parfüm
2.3 Medizinische Wirkungen von Engelwurz
3.0 Widersprüche und weitere Erklärungen

 

 

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